Interview mit dem SPD-Landtagskandidaten Harald Unfried:
„Wir brauchen eine Renaissance des sozialen Wohnungsbaus in Bayern.“
Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen schlägt schon seit Jahren Alarm: Immer mehr Sozialwohnungen fallen aus der Sozialbindung. Preisgünstiger Wohnraum verschwindet. Der Verband moniert auf seiner Webseite, dass sich die Landesmittel für die Wohnraumförderung gerade im wohlhabenden Bayern auf einem historischen Tiefstand befinden. Welchen Pfad muss die Wohnungspolitik in Bayern einschlagen, damit wieder bezahlbarer Wohnraum für breite Schichten entsteht? Darüber haben wir ein Gespräch mit dem Landshuter Landtagskandidaten Harald Unfried geführt.
Stadtgucker: Nicht nur in Landshut wird um den richtigen Weg gerungen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Auch landespolitisch ist die Wohnungspolitik eines der beherrschenden Themen. Wieso hat sich der Bestand an Sozialwohnungen so stark verringert?
Harald Unfried: Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmer spricht vollkommen zu Recht von einem neuen historischen Tiefstand bei den Sozialwohnungen in Bayern. Während es im Jahr 1999 noch etwa eine viertel Million Sozialwohnungen in Bayern gegeben hat, sind es 2014 nur noch 130 000 Wohnungen mit sozialer Bindung gewesen. Die CSU-Staatsregierung hat es nicht nur verabsäumt, dieser Entwicklung Paroli zu bieten. Sie hat mit der völlig unnötigen Privatisierung von 33 000 preisgünstigen GBW-Wohnungen die Wohnungssituation in Bayern sogar noch deutlich verschärft. Statt die gute finanzielle Lage Bayerns für den sozialen Wohnungsbau zu nutzen, wurde bezahlbarer Wohnraum verscherbelt. Und dies auch noch quasi als Folge des von der CSU selbst verursachten Landesbank-Debakels.
Stadtgucker: Was bedeutet es, wenn der Staat die öffentliche Daseinsvorsorge beim sozialen Wohnungsbau derart vernachlässigt?
Harald Unfried: Man darf nicht vergessen, dass seit der Föderalismusreform 2006 nicht mehr der Bund für den sozialen Wohnungsbau zuständig ist, sondern die Bundesländer. Es gehört also zu den originären Aufgaben des Freistaats, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen bzw. mindestens zu erhalten. Die wohnungspolitische Schlafmützigkeit der Staatsregierung rächt sich jetzt natürlich auf verschiedene Weise.
Stadtgucker: Und zwar wie konkret?
Harald Unfried: Die Folge ist das stark angestiegene Mietpreisniveau. So liegen sechs der fünfzehn deutschen Großstädte, die zwischen 2009 und 2014 die stärksten Mietpreisanstiege zu verzeichnen hatten, in Bayern. Ein immer größerer Anteil des Nettolohnes muss für Mieten aufgewendet werden. Besonders beim Übergang in die Rente mit reduzierten Bezügen treffen überteuerte Mieten viele Menschen mit voller Wucht. Wenn bezahlbarer Wohnraum infolge von politischer Untätigkeit verloren geht, trifft das eben längst nicht mehr nur die niedrigeren Einkommen. Es wird – zumindest in den größeren Städten – immer mehr auch zum Problem für die Menschen mit mittleren Einkommen.
Stadtgucker: Und was müssen wir jetzt tun, damit perspektivisch wieder deutlich mehr sozial gebundener Wohnraum entsteht ?
Harald Unfried: Ich glaube, es dürfte klar geworden sein, dass die entscheidende Herausforderung der bayerischen Landespolitik in den nächsten Jahren in einer groß angelegten Wohnbauoffensive für preisgünstigen Wohnraum besteht. Eine Landespolitik mit sozialer Prägung darf nicht länger dabei zusehen, wie immer mehr sozial gebundener Wohnraum einfach verschwindet. So muss in der nächsten Legislaturperiode der Bau von mindestens 50 000 Wohnungen in Bayern gefördert werden. Eine direkte Handhabe bietet ein staatliches Wohnungsbauunternehmen, wie die von der Staatsregierung für knapp 2,45 Milliarden Euro privatisierte GBW. Rund 80 000 Mieter sind von dem Verkauf betroffen.
Stadtgucker: Mit den 8 000 bezahlbaren Wohnungen für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen, die die CSU in ihrem neuesten 10-Punkte-Plan bis 2020 bauen möchte, wird es also nicht getan sein?
Harald Unfried: Das ist nur ein Placebo. Mit 8 000 zusätzlichen Sozialwohnungen wird man den weiteren Rückgang preisgünstigen Wohnraums nicht wirklich aufhalten können. Es fallen ja ständig alte Sozialwohnungen aus der Preisbindung. 8 000 wäre vielleicht für München eine Zahl, aber doch nicht für ganz Bayern.
Die CSU kann sich nicht zu einer ambitionierten Wohnbaupolitik durchringen. Trotz der erkennbar brenzligen Situation. Das ist eigentlich blamabel. Immerhin hat es an einem Punkt bei der CSU Bewegung gegeben: die Gründung einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft.
Stadtgucker: Was kann der Freistaat noch tun, um die Neubautätigkeit anzuregen und dem Auftrag aus Artikel 106 der bayerischen Verfassung gerecht zu werden, wonach die Förderung des Baues kostengünstiger Volkswohnungen die Aufgabe des Staates und der Gemeinden ist?
Harald Unfried: Die Staatsregierung kann etwa zum Verkauf stehende Grundstücke künftig kostengünstig an Baugenossenschaften und Kommunen abgeben, wenn diese die Errichtung bezahlbaren Wohnraums zusagen. Denn eine der Ursachen für den Anstieg der Mieten sind ja auch die gestiegenen Baulandpreise. Auch an dieser Front muss der Freistaat endlich tätig werden.
Stadtgucker: Wir danken für das Gespräch.